Eingerahmt! Bildrecherche- und Rechtemanagement - 12 Fragen an Bildbeschaffer Alexander Karst

Foto im Rahmen: Die Bildbeschaffer GmbH, Hintergrund: iStockphoto

Foto im Rahmen: Die Bildbeschaffer GmbH, Hintergrund: iStockphoto

Kaum eine Website oder Printprodukt kommt heute noch ohne Bilder aus. Kein Wunder, es wird immer weniger gelesen, die Kommunikation findet über Bilder statt. Und es gibt schließlich eine riesige Auswahl von Motiven für alle möglichen Themen im Web. Der Einsatz von Stockbildern sieht im ersten Schritt recht einfach aus. Bild auswählen, in den Warenkorb, runterladen und in den Flyer oder die Website einbauen. Bei den AGBs und Nutzungsbestimmungen wird schnell auf „gelesen“ geklickt, ohne sie wirklich gelesen zu haben. Und da fängt das Problem an. Nahezu jede Bildagentur hat andere Lizenzbestimmungen und der Teufel liegt wie meistens im Detail. War mag sich schon als Nicht-Jurist durch die seitenlangen Rechtstexte wühlen? 

Dass es durchaus Sinn macht, sich mit den Rahmenbedingungen beim Bildeinkauf zu beschäftigen erklärt uns Alexander Karst in dieser Ausgabe der Interviewserie „Eingerahmt“. Als Experte für Bildbeschaffung und Rechteklärung gibt er darüber hinaus Einblicke in den recht unüberschaubaren Markt der Bildagenturen und erzählt uns, wie sich seiner Ansicht die Bildbeschaffung durch neue Player und Technologien entwickelt. 


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Warum braucht es überhaupt einen Dienstleister für Bildbeschaffung. Es gibt doch jede Menge Bildagenturen und auf deren Webseiten sieht doch alles so einfach aus?


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Fangen wir gern mit der Existenzberechtigung an. Im Kern vergleiche ich das mit Photoshop: Auch wenn die Technik immer besser wird, brauchen Sie jemanden, der sie bedienen kann. In Verlagen haben Sie die klassische Bildredaktion, selten aber in Unternehmen. Und da setzen wir an: Wenn ein Kommunikator im Unternehmen oder ein Account Manager in einer Agentur nicht regelmäßig mit Fotografen oder Bildagenturen zu tun hat, dann halten wir ihm/ihr den Rücken frei. Wir übernehmen den Job, das richtige Bild mit der richtigen Lizenz zu besorgen. Und das Ganze neutral, weil wir unabhängig sind. 

Sie kennen ja das Thema auch intensiv und seit Längerem: Ein paar Menschen kommen noch aus der prä-digitalen Zeit, haben noch mit Dias und Prints gearbeitet. Ich will nicht sagen, dass die Arbeit damals besser war –sie war anders, langsamer, bedächtiger: Unternehmen setzten nur ein paar Bilder ein für eine Kampagne in einer Broschüre, auf einem Plakat und in einer Anzeige, da konnten bzw. mussten Sie mit der Bildagentur noch telefonieren und fanden dort kompetente Kenner der Fotografen-Szene und der Thematik. Heute geht es um Bildpakete und Rahmenverträge. Die Kompetenz und auch die Zeit für das einzelne Bild ist nicht mehr da. Das machen wir jetzt. So wie das CMS einen Redakteur braucht, sind wir für das Thema Bild da.


 
Die Wollmilchsau unter den Bildagenturen und Datenbanken gibt es nicht. So wie nicht jede technisch noch so ausgereifte Kamera jedem Fotografen gleich gut in der Hand liegt, so sind auch die Anbieter je nach Nutzungszweck unterschiedlich geeignet.
— Alexander Karst, Die Bildbeschaffer GmbH
 

Dass man Bilder in der Marketingkommunikation nicht einfach im Web runterlädt und einsetzt, dürfte sich mittlerweile rumgesprochen haben. Verführerisch klingt immer „lizenzfrei“. Warum ist nicht lizenzfrei drin, wo lizenzfrei draufsteht?


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Da muss ich Sie leider auf den Boden der Tatsachen holen. Vielleicht haben noch ein paar Einzelkämpfer Interesse und Fachkenntnis, aber die werden im Unternehmen oder in der Agentur als Spielverderber angesehen, wenn sie sagen: „Du kannst nicht einfach dieses Bild nutzen!“ Zwei Beispiele:

a)     Der Instagram-Redakteur, der spielerisch eher die weichen Faktoren eines Unternehmens darstellen soll, arbeitet wie für seinen privaten Account, bastelt Memes aus Google-Bildern und achtet selten darauf, ob die eine Marke zur anderen passt ­– und das Bild hat ja auch nur eine Halbwertszeit von drei Sekunden. Bei Powerpointlern sieht es nicht anders aus. Und diese Bilder wandern dann durch das Unternehmen.

b)    Der Filialleiter eines Supermarkts braucht Bilder für einen Flyer und hat keine Zeit, sich mit den Log-ins bei fünf Bildagenturen rumzuschlagen, mit denen der Konzern einen Rahmenvertrag hat.

Vor Kurzem las ich einen Artikel über „die 5 wichtigsten Bildanbieter“ – es ging nur um kostenlose Anbieter wie Unsplash. Im letzten Satz hieß es: Es gäbe „dann auch noch kostenpflichtige Alternativen“. Unglaublich. Wir müssen also erst einmal erklären, dass Bilder überhaupt lizenziert und eingekauft werden sollten. Dann erklären wir die Unterschiede zwischen der dpa und Shutterstock. Unser Markt spielt in der Kommunikations-Ausbildung praktisch keine Rolle und das Wort Lizenzfrei ist sehr unglücklich gewählt, liest sich wie „kostenfrei“. Als dieser Begriff damals aufkam, stellte sich „Lizenzfrei“ ja gegen „Lizenzpflichtig / Rights Managed“ auf und damit gegen die Lizenz, die für jede einzelne Nutzung geklärt und bezahlt werden musste – in einer Zeit, in der viele „schlichte“ Nutzungen aufkamen. Die Digitalisierung schmiss den Turbo an. Natürlich gibt es heute auch noch viele Bilder, die einzeln kuratiert, ausgewählt, angefasst und mit dem Fotografen besprochen werden. 


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Die schnelle Verbreitung von „Billig“-Bildagenturen wie Fotolia (jetzt Adobe Stock) haben meiner Meinung nach dazu beigetragen, dass selbst große Firmen und Konzerne am Budget für Bildmaterial sparen. Woher kommt die Einstellung, das Fotos so gut wie nichts kosten dürfen und warum greifen selbst Unternehmen mit üppigen Budgets auf kostenloses CC-Material zurück, obwohl das aus fotografischer Sicht eigentlich eher „Abfall“ ist?


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Ich sehe da drei ganz unterschiedliche Gründe: die Digitalisierung, die Demokratisierung und die Wirtschaftskrise 2009. Da wurde in der Kommunikation der Rotstrich angesetzt: Wer sich nicht wehrte, wurde zusammengestrichen. Und da die damals Großen – Getty, Corbis, Masterfile (ZEFA gab’s ja schon nicht mehr) und Mauritius – zum Großteil die gleichen Bilder verkauften, entschied am Ende der Preis. Die Daumenschrauben waren angesetzt, Einkäufer mussten nur noch drehen. 

Die Billig-Anbieter, die Sie nennen, haben sich ja nicht als Konkurrenz in diesen Markt gesetzt. Zielgruppe war nicht PizzaHut, sondern die Pizzeria um die Ecke, nicht L’Oreal, sondern das einfache Nagelstudio. Mit kleinen Mitteln konnte man ja auch erst seit diesem Zeitpunkt mal schnell einen Flyer produzieren, fotolia et al gehörten einfach zur neuen Technik dazu, die Nutzerschaft vergrößerte sich schlagartig, ohne dass jedes Restaurant für seinen Aufsteller hätte 300 € pro Bild bezahlen können. Und betrachten wir die Anbieterseite: Es gab ja nur wenige Stock-Fotografen, die von ZEFA, Masterfile oder Mauritius zu fotolia wechselten. Das waren ja eher Hobby-Fotografen, die neu in den Markt drängten – selbst Yuri Arcus, DER Microstock-Fotograf der ersten Jahre, fotografierte neben dem Psychologie-Studium nur seine Freundin, merkte dann, dass man mit 10 Cent pro Bildverkauf irgendwann auch eine Gewinnschwelle überschreiten kann. Aber von den vielen Fotografen machten nur drei, vier Prozent überhaupt so viel Umsatz, dass sie ihn steuerlich anmelden mussten.

Das haben die hippen Kreativen aber genauso wenig geahnt wie der Kommunikator im Unternehmen. Der Preis war sexy und wenn man mit dem ersten Versuch nicht auf die Nase fällt, scheint´s ja zu gehen …

Nur, dass jetzt die Fotografen sehen, dass sie mit 10 Cent pro Bild nicht glücklich werden und massenweise Abmahnungen an Unternehmen schicken – mit der Chance, dass die 1500 bis 1700 Euro pro Abmahnung auch bezahlt werden. Selbst wenn die Abmahnung unberechtigt war, weil das Bild damals tatsächlich lizenziert wurde. Das ist gerade eine neue Qualität: Die Fotografen kontrollieren das noch nicht einmal, bevor sie die Abmahnung verschicken lassen. Es lohnt sich halt. Und wir müssen unseren Kunden in Webinaren zeigen, wie man sich schützen kann.


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Welche Gefahren und Fallstricke lauern beim Einsatz von kostenlosen Bildern von Unsplash, Pixabay & Co?


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So viele, dass wir regelmäßig darüber schreiben müssen – wie zuletzt hier im März.

Wo fange ich an? Die Portale spielen nicht nach den Regeln von Fotografen und Agenturen. Unsplash ist ein SEO-Projekt einer Agentur, die durch das gekonnte Einspielen von Bildern ihrer Kunden wie NIKE deren SEO pusht. Dass Fotografen auch Bilder hochladen können, ist eigentlich nur ein kleines Feature, auf das sich aber die visibility-hungrigen Fotografen stürzen. Die laden hier unbearbeitete Bilder hoch, mit Menschen ohne Model Release und sichtbaren Marken. Andere denken sich dann: Toll, gemeinfreie Bilder – retuschieren das Logo weg und verkaufen das Bild dann über AdobeStock.

Die Hochlader sind nicht immer die Fotografen. Da sind geklaute Bilder, Programmierer saugen alle Bilder von der NASA, weil sie mal gehört haben, dass die Bilder der NASA gemeinfrei sind und laden sie gleich auf allen kostenlosen Portalen hoch, Produzenten wie RAWPIXEL platzieren ihre schlechten Schüsse bei Unsplash und die „Premium“-Motive dann bei AdobeStock und Shutterstock.

Ich möchte es so formulieren: Diese Portale sind für Unternehmen ein NoGo. Und sehe ich ein Unsplash-Bild „im Einsatz“, ist das meist kein Highlight, nicht relevant, überflüssiges Füllsel. Ob sich da noch ein Bumerang entwickelt wie bei den Billig-Agenturen, das werden wir sehen. Ich rechne damit.


Denken Sie, dass allgemein die Qualität der eingesetzten Bilder in der deutschen Marketinglandschaft sinkt? Oder sind wir schon im Tal angelangt und es geht wieder nach oben?


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Oha. Das ist eine gemeine Frage. Wenn die Spitze auf dem gleichen Niveau bleibt, aber von unten viel Drittklassiges nachwächst, dann sinkt halt der Schnitt.

Die Digitalisierung schmiss den Turbo an. Natürlich gibt es heute auch noch viele Bilder, die einzeln kuratiert, ausgewählt, angefasst und mit dem Fotografen besprochen werden. Bei so tollen Bildagenturen wie LAIF oder auf Foto-Festivals wie horizonte in Zingst, aber nicht im Stock.

Die Zahl der verwendeten Bilder wächst ja auch wegen der wachsenden Zahl der Kommunikationskanäle. 360° statt Above und Below the line. Dazu passt ja die Aussage der Wissenschaft, dass die Zahl der (Werbe-)Kontakte pro Tag von ca. 2.000 in der analogen Zeit auf 10.000 bis 13.000 in der heutigen, digitalen Welt gestiegen sei. Es wäre unfair, zu verlangen, dass das Niveau dabei nicht sinken dürfe. Die Kommunikations-Empfänger können nur eine bestimmte Zahl an Eindrücken auch tatsächlich aufnehmen – und da brauchen tolle Fotos, tolle Designs auch die Masse, aus der sie herausstechen können. Aus dem Leben gesprochen: Die vielen Frauengesichter, lackierten Fingernägel über den Nagel- oder Waxing-Studios in den Innenstädten, die ja jetzt dort sind, wo früher teure Pelzgeschäfte waren, sind nicht wirklich eine Augenweide. Ja. Und nicht jeder Zahnarzt muss mit einer weißrussischen Lady werben, die knackig eine Peperoni zwischen den Zähnen hält. Nur, weil er es jetzt kann, muss er es nicht auch müssen.

Ganz praktisch heißt das aber auch für den Fotografen, dass der Kunde eher mehr Bilder als wenige, präzise final retuschiert haben will, dass er – wie mir ein Fotograf gerade noch sagte – den letzten Meter nicht mehr gehen wolle und stattdessen lieber noch ein Making-Of gratis dazu verlange.

Für mich stellt sich eher die Frage: Wie können wir die Masse an Bunt, Schrill, Swipe wieder reduzieren auf ein fürs menschliche Hirn und unser aller Ästhetik Verträgliche?


 
Auch wenn viele, die mit der Beschaffung von Bildern zu tun haben, nur eine Handvoll Agenturen kennen, gibt der Markt mehr her.
— Alexander Karst, Die Bildbeschaffer GmbH
 

Nicht nur die rechtliche Seite ist eine Hürde beim Bildeinkauf. Es gibt alle möglichen Abo-Pakete, Einkauf per Credits und andere Preismodelle. Die Agenturen sind sehr kreativ. Wie blickt man hier durch? 


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Wir bündeln ja die Wünsche unserer Kunden, sprechen mit den zentralen Leuten bei den Bildagenturen und halten uns einfach ständig up to date. Schlimm war die Zeit ab 2011, als die Microstocks „erwachsen wurden“ und teils quartalsweise ihre Lizenzbedingungen überarbeiten mussten. Ich nenne das die Lernkurve, die mal steiler, mal als Sprungschanze daherkommt, auch heute noch. Die haben ja teils erst nach sechs Jahren überhaupt Verträge mit den Uploadern aufgesetzt, in denen steht: „Lade hier keine geklauten Bilder hoch“ – weil die Leute so etwas eben auch ausprobierten. Model Releases, die Einführung von „Editorial Use only“ und dann die Verhandlungen mit großen Unternehmen, wo teils Ex-Getty- und Corbis-Mitarbeiter den Markt von unten rasierten – das war eine wilde Zeit. Und ehrlich gesagt müssen wir den Agenturen auch hier und da mal ein Nein entgegensetzen, weil dies oder das völlig am Markt vorbeigeht. Wir kommen ja aus einem dieser Ställe und kennen den Geruch.

Wichtig ist aber, dass die Agenturen ja versuchen, mit den Lizenzen einen Kamm zu liefern, der durch möglichst viele Frisuren muss. Hier und da hakt es – und da müssen wir dann kreativ sein: Was nicht passt, wird passend gemacht.


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Kauft man in mehreren Bildagenturen, weiß man oft nach Jahren nicht mehr, wo welches Bild herstammt und schon gar nicht, wie die Lizenzbestimmungen waren. Was empfehlen Sie mittelständischen und kleinen Firmen, die kein Assetmanagement-Tool einsetzen?


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Wer seine Bilder in Ordnern und Laufwerken liegen hat, kann auch hier viel machen:

Eine saubere Ordner- und Dateinamen-Struktur schafft Überblick. Und die Metadaten – vor allem die beschreibbaren IPTC-Daten (Datenformat zur Speicherung von Metadaten) – kann man schon mit dem Datei Explorer unter Windows 10 bearbeiten und sogar ordnerübergreifend durchsuchen. Wer will, kann ja auch das kostenlose Kontingent im Google Drive oder Sharepoint nutzen. Die Felder haben zwar eigenwillige Namen, aber wenn man die Fotografennamen, Bildagentur und gekaufte Lizenz mit Datum über den Detailbereich einträgt, ist ja schon viel gewonnen. Wer hier die Bildnummer in das Feld Titel einträgt, kann die Datei umbenennen – der SEO-Experte rät ja zu „sprechenden“ Dateinamen wie „Firma-Laborant-am-Geraet.jpg“.

Stichworte und Bildbeschreibung können, müssen aber nicht sein. Wenn Bilder online gezeigt werden, ist es immer wichtiger geworden, die Felder Copyright, Copyright Notice und Credit auszufüllen. Ihr SEO freut sich, Google zeigt die Infos in der Bildersuche hinter dem dann gezeigten Link „Bildnachweis“ und vielleicht hilft das auch, wenn im übernächsten Jahr das europäische Urheberrecht ins deutsche Gesetz einfließt. Stichwort Upload-Filter.

Man sollte einmal die wichtigen Regeln aufstellen und dafür sorgen, dass die Kollegen auch davon wissen. Auch ohne Digital Asset Management (DAM). Aber wenn dann eine Mediendatenbank kommt, ist schon alles vorbereitet für den ersten Upload …

Und deshalb – auch vor dem Hintergrund „Uploadfilter, Europäisches digitales Urheberrecht“ – haben wir gerade das Webinar Metadaten und Lizenzen aufgelegt.


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Die Platzhirsche unter den Bildagenturen veröffentlichen immer wieder Trendreports. Welche Trends oder welche Entwicklung sehen Sie bei den Bildmotiven speziell für den deutschen Markt?


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Naja, die Instagramisierung der Bildsprache ist nicht mehr neu. Dass nicht mehr der Verkäufer sein Produkt zeigt, sondern Erlebniswelten seiner Kunden, ist auch nicht neu. Die TrendReports sind ja keine Visionen, sondern Beobachtungen: Was geht?

Spannender finde ich das Briefing des Kunden, die neue CI, aus der wir die Bildwelten, Zielgruppen, Themen und Aussagen definieren und dann schauen: Gibt es das im Stock? Und wenn ja, wo?

Die Visionen lasse ich lieber bei den Strategen, Kreativen und Fotografen, die den Finger auf dem Puls haben. Und die sind meist überhaupt nicht im Stock vertreten.

Und bei unseren Recherchen sehen wir ja auch sehr schnell, was neu ist im Stock und was gut geht – denn das wird ja gleich im Suchergebnis nach vorn gepusht. Das Gefühl, wie sich die einzelnen Agenturen entwickeln, kommt dann von allein – und sorgt immer wieder für eine schöne Überraschung beim Kunden.  


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Google plant wohl auch, im Stockbildermarkt mitzumischen. Wissen Sie Näheres? 


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Auf dem Kongress der CEPIC im Sommer 2019 präsentierte Google ein neues Feature der Bildersuche: Bilder können ja derzeit schon mit Tags oder Labels versehen werden: Shop, Video (für ein Still aus dem Film) etc. – und sie stellten den Bildagenturen in Aussicht, das Label „Stock“ einzuführen. Mehr dazu im Review des Workshops. Aus den angekündigten „Wochen bis zum Release“ ist allerdings bis heute noch nichts geworden.

Google zementierte aber auch die Aussage: „Wir werden keine Bildagentur aufmachen“. Ich persönlich glaube auch: Die Marktgröße von vielleicht 3 Mrd. Dollar weltweit ist für Google einfach nicht interessant. Der Espresso nach dem Lunch. Man würde sich mehr Ärger schaffen als Erlöse – und das passt nicht zu diesem hochprofitablen Laden. Getty und Google spielen nicht gerade in der gleichen Liga.

Apropos Getty Images: Das Unternehmen hat ganz aktuell angekündigt, sich komplett vom lizenzpflichtigen Modell zu verabschieden. Ab Februar 2020 gibt es also dort nur noch RF (Royalty Free = lizenzfrei). Was die Fotografen und Agenturen davon halten, die Getty beliefern, sei mal dahingestellt – aber für uns könnte das ja bedeuten, dass jetzt auch die tollen Bilder billig/erschwinglich/nutzbar/ öfters zu sehen sein werden. Das könnte das Niveau heben – aber nicht das Einkommen der Fotografen.


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Welche Entwicklungen sind sonst im Bereich der Bildbeschaffung zu beobachten / zu erwarten? Welche Rolle werden künftig neue Technologien, wie zum Beispiel  Künstliche Intelligenz / Artificial Intelligence oder Virtual Reality spielen?


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KI für eine flotte und ziemlich gute (lernende) Verschlagwortung und Bildanalyse lässt sich schon jetzt per Schnittstelle auch in DAMs (Digital Asset Management) der Unternehmen einklinken. Wer Sorge hat, dass Bilder seiner Events zu Datenschutz-Problemen mit den fotografierten Personen führen könnte, kann vielleicht bald die Gesichter per Deepfake so verändern, dass niemand mehr erkennbar, aber auch nicht hässlich verpixelt ist. Ob die Fake Faces mal das Zeug dazu haben, Models auf Bildern zu ersetzen? Ich weiß es nicht … Aber wer Produkte wie Medikamente, Menstruations-Tässchen oder andere sensible Themen bewerben will, müsste bei den künstlichen Gesichtern zumindest keine Model Releases beachten. Er würde aber auch Dystopien wie in Blade Runner (alt wie neu) wahr werden lassen.

Praktischer finde ich da schon Ideen wie Smint.io, die Schnittstellen basteln zwischen Bildagentur und Kunde, damit die Unternehmen ihre Systeme – Bildagenturen, Digital Asset Management (DAM), Content Management Systeme (CMS), Product Information Management (PIM), etc. – so unter einen Hut bekommen (Stichwort: headless), dass die vielen Anwender im Unternehmen schnell, ohne Sprünge zwischen den Systemen und vor allem: rechtlich sauber ihre Kommunikationsmittel fertigstellen können. 

Für uns ist es eine spannende Aufgabe, unsere Kunden auf diesem Weg zu begleiten. Und wenn Sie mich in einem halben Jahr fragen, stehen sicher wieder neue Themen auf der Agenda.  


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Spannend! Scheint, als wird sich der Markt der Bildagenturen auch weiterhin verändern. Da ist es gut, Experten an der Seite zu haben, um eigene Ressourcen zu reduzieren. Apropos Experte, wie sind Sie eigentlich zum Bildbeschaffer geworden?


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Meine Kollegin Michaela Koch und ich lernten uns vor 20 Jahren bei PhotoDisc kennen, der ersten lizenzfreien und rein digitalen Bildagentur – das Internet war gerade mal drei Jahre alt und wir hatten schon einen fully ecommerce enabled WebShop für Bilder. Ich hatte mich gleich nach der Ausbildung zum KommunikationsWirt mit diesem sonderbaren Phänomen Internet beschäftigt und fand hier ein Modell, das nicht nur aus heißer Luft bestand. PhotoDisc war ja auch so spannend, dass es von Mark Getty als einer der ersten Teile von Getty Images gekauft wurde.

Von der ver- auf die einkaufende Seite zu wechseln und sozusagen den Job des Bildredakteurs für Unternehmen zu machen war eine Idee, über die wir Hapag Lloyd Kreuzfahrten kennenlernten: unseren Start-Kunden, für den wir noch immer den zentralen Bildeinkauf machen, neben AIDA Cruises, Evonik, Orthomol, Wüstenrot und vielen Agenturen.

Und in einem Markt, der so turbulent ist wie der Bildermarkt, muss man dann nicht mehr überlegen, sich einen neuen Job zu suchen – spätestens alle drei Jahre sieht unser Alltag anders aus, das macht die Arbeit so abwechslungsreich, dass uns auch nach 17 Jahren nicht langweilig werden kann. Michaela Koch ist unsere Innenministerin, ich der Außenminister, und so kann das gern auch weitergehen.      


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Haben Sie vielen Dank für das gelungene Interview und die vielen Experten-Einblicke. Zum Abschluss habe ich noch eine eher persönliche Frage: Sie haben tagtäglich mit Bildwelten zu tun, hängt man da zu Hause noch Bilder auf? Welches Motiv hängt bei Ihnen im Wohnzimmer? 


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Ehrlich? Ich sehe so viele Bilder, dass es mir schwerfallen würde, mich für ein Gemälde zu entscheiden, das 20 Jahre an einem festen Platz hängen könnte. Eines meiner ersten Hipstamatics – 2011 hatte ich in Istanbul mit meinem ersten iPhone gespielt. 600 Pixel, die ich auf einen Meter gezogen habe, misst das Bild, das seit zwei Jahren am längsten hängt. Ansonsten ärger ich am liebsten meine Kinder mit einer „Wechselausstellung“ der wunderbar schrägen Motiven von Cattelan & Ferrari, die ja regelmäßig in der ZEIT erscheinen.


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Vielen Dank für die ausführlichen Antworten, Herr Karst!

Das ist glaube ich bislang mein längstes Interview in der Reihe “Eingerahmt”. Zeit aber, wie detailreich das Thema Bildbeschaffung nunmal ist. Ich denke, den Lesern wird klar, dass es nicht schadet, sich bei den Themen Bildrecherche, Bildeinkauf, Rechteklärung und Bildverwaltung professionelle Unterstützung zu holen. Wer auf dem Laufenden bleiben will, dem empfehle ich, den Bildbeschaffer News zu abonnieren. Oder sein Wissen im Seminar oder Workshop zu vertiefen.


Foto: Die Bildbeschaffer GmbH

Foto: Die Bildbeschaffer GmbH

Alexander Karst im Profil

Nach einigen Jahren bei Getty wechselte Alexander Karst die Seite des Schreibtisches und gründete 2008 mit seiner Kollegin Michaela Koch Die Bildbeschaffer GmbH. Das Unternehmen recherchiert und kümmert sich um den Einkauf von Bildern für Unternehmen und Werbeagenturen - inklusive der Rechteklärung. Auch die Verwaltung der Bilder und Bilddatenbanken der Kunden gehört dazu. Das umfangreiche Know-how geben Alexander Karst und seine Kollegen weiter: In Form von Seminaren, Workshops, Artikeln und Bogbeiträgen.

www.die-bildbeschaffer.de